Unterrichtsstörung – Prävention ist besser als Intervention
Aus diesem über 2400 Jahre alten Zitat von Sokrates (469-399 v. Chr.) geht hervor, dass Lehrer/innen auch früher schon mit der Belastung von Unterrichtsstörungen zu kämpfen hatten. Heute werden Lehrpersonen vermehrt mit Unterrichtsstörungen und disziplinären Konflikten konfrontiert.
Laut einer Studie von Wendt (2009) verliert man mindestens ein Drittel der Unterrichtszeit durch Störungen und Verwaltungstätigkeiten. Eine Untersuchung von Seitz (1991) zeigt, dass verbale Störungen fast die Hälfte aller Unterrichtsstörungen ausmachen.
Dazu gehören Dazwischenreden, Schwätzen und die Reaktionen auf Mitschüler/innen. Am zweithäufigsten wird der Unterricht durch nonverbale Störungen, wie Sesselschaukeln oder Raufen, behindert. Lehrer/innen empfinden das Fehlverhalten von Schüler/innen als Störung im Unterricht und fühlen sich mitunter persönlich angegriffen. Die Ursache kann jedoch auch im Unterrichtsablauf liegen, was meist nicht vermutet wird. Somit nimmt man sich Einfluss- und Handlungsmöglichkeiten, in Störsituationen einzugreifen bzw. Präventiv vorzugehen.
Was kann man tun, um Störsituationen entgegenzuwirken?
Kinder brauchen Regeln, Rituale und eigenverantwortliche Aufgaben, diese sind für alle Beteiligten essentiell. Sie geben den SchülerInnen Halt und Sicherheit und sind eine wirksame präventive Maßnahme, um Störungen zu begrenzen.
Die Regeln sollten anzahlmäßig überschaubar sein und einsichtig, damit sie von den Lernenden akzeptiert werden. Außerdem sollten sie als Gebote und nicht als Verbote formuliert werden. Regeln werden ernster genommen, wenn sie nach der gemeinsamen Formulierung, von SchülerInnen, LehrerInnen und Eltern wie ein "Klassenvertrag" unterschrieben werden. Zur Einführung der Regeln gehört auch die Vereinbarung mit den Lernenden, über ausnahmslose Konsequenzen bei Regelverstößen in Form von Wiedergutmachung. Das Üben des Einhaltens von Regeln ist zudem eine gute Vorbereitung für das spätere Leben, in dem Gesetze zum Alltag gehören.
Es hat sich bewährt, SchülerInnen als RegelwächterInnen einzusetzen. Diese Aufgabe ist nicht nur für die Gemeinschaftsarbeit positiv, sondern stärkt auch die Sozialkompetenz der SchülerInnen.
Ein störungsfreier Unterricht ist außerdem von gegenseitigen Respekt, Humor und der Vorbildfunktion der Lehrpersonen geprägt. Dazu hilft es, als LehrerIn klar und deutlich zu sprechen und durch nonverbale Signale Kontakt zu allen SchülerInnen herzustellen. Auch "Classroom Management" mit klarer Strukturierung des Unterrichts, wodurch sich ein für alle erkennbarer roter Faden durch die Stunde zieht, führt zur Verbesserung des Klassenklimas, zur Erhöhung des Anteils an echter Lernzeit und ebenfalls zur Reduzierung von Unterrichtsstörungen.
Mit solchen Maßnahmen lassen sich viele Unterrichtsstörungen vorbeugen. In interventiven Situationen ist es wichtig, dass die Reaktion der Lehrkraft nicht größer als die Störung selbst ist. Doch das Allerwichtigste ist, den Grund für das Fehlverhalten zu finden, um dieses in Zukunft zu verhindern. Wenn im Schulalltag das Einhalten von Regeln und Ritualen selbstverständlich, der Unterricht klar strukturiert, die LehrerIn-SchülerIn-Beziehung in Ordnung ist und die Lehrperson eine Vorbildrolle einnimmt, muss man den Grund der Störungen anderswo suchen.
Ist das Kind unter- bzw. überfordert? Hat es einen schlechten Tag? Will es Macht ausüben oder Rache betreiben, weil es Probleme hat? Oft kommt es vor, dass Kinder den Unterricht ständig stören, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Dann ist es sinnvoll mit dem/der Betreffenden ein Gespräch unter vier Augen zu führen, um sicher zu gehen, dass es keine gravierenden persönlichen Probleme gibt.
Um diesem Kind nicht während des Unterrichens Aufmerksamkeit schenken zu müssen und dabei wieder andere Kinder abzulenken, empfiehlt es sich, besonders dieses Kind immer wieder zu loben, anzuerkennen und ihm Aufgaben zu geben, bei denen es Verantwortung trägt.
Abschließend erscheint es sinnvoll und Hilfreich, vor allem vorbeugende Maßnahmen durchzuführen, denn "...bekanntlich wiegt ein Gramm Prävention mehr als ein Pfund Intervention". Lohmann 2010
- Studie von Seitz (1991) zit. n. Hillenbrand 2011,) in: Hillenbrand, Clemens: Didaktik bei Unterrichts- und Verhaltensstörungen. München: Ernst Reinhardt 2011, S. 75
- Studie von Wendt (2009, S. 6) in: Wendt, Peter: Immer diese Störungen! Störungsquellen und Wege, mit Störungen konstruktiv umzugehen. In: Grund-schule 41 (2009) 12, S. 6-10
Edwina Imlinger - Volksschullehrerin. Schon im Studium intensive Auseinandersetzung mit der Prävention von Unterrichtsstörungen.