Bildungspolitik aus Sicht eines Jungbürgermeisters
Wir haben mit Fabian Grüneis gesprochen und ihn gefragt, wie politische Bildung in der Schule gelingen kann, welche Vision von Schule er für die Zukunft hat und wie Waizenkirchen mit den Lockdowns und Distance Learning zurecht kommt.
Am Tag Bürgermeister, in der Nacht DJ
Was für viele nach einem Traum klingt, ist für Fabian Grüneis Realität. Der junge Oberösterreicher hat es sich in seinem Leben zur Aufgabe gemacht, für die Menschen in seiner Heimatgemeinde Waizenkirchen da zu sein. Seit 2018 ist der 24-Jährige einer der jüngsten Bürgermeister im Bundesland Oberösterreich. Seine steile Politikkarriere hat er vor allem seinem eigenen Engagement und seinem Mut zu verdanken.
„Ich habe mich schon immer für Politik interessiert und eines Tages habe ich zusammen mit ein paar Freunden einfach einen Jugendverein gegründet, in dem wir Themen und Ideen junger Waizenkirchner an die Gemeindepolitik herantragen wollten“
Für den HTL-Absolventen ist deshalb auch die Politische Bildung in der Schule ein wichtiges Thema und würde sich mehr davon im Lehrplan wünschen, denn dass, was gerade in Amerika passiert ist, könnte auch bei uns jederzeit eintreten, so der 24-Jährige. Um für mehr politische Bildung in Österreich zu sorgen, nimmt Grüneis aber auch die Politiker selbst in die Verantwortung und bietet seit einiger Zeit seine Gemeinderatssitzungen auch als Livestream im Internet an.
„Ich bin mir sicher, dass keiner unter 20 jemals an einer Gemeinderatssitzung teilgenommen hat, aber seitdem wir streamen, hat sicher jeder Waizenkirchner zumindest einmal 2 min. lang die Sitzung von zu Hause angesehen“
Aber nicht nur Politische Bildung ist für den engagierten Oberösterreicher ein zentraler Punkt im Bildungsbereich. Als HTL-Abgänger und interessierter Programmierer ist die Digitalisierung der Schule in seinen Augen eine unumgängliche Notwendigkeit, um die Jugend für die Zukunft vorzubereiten.
„Die Digitalisierung bietet für die Jugendlichen eine gewaltige Chance. Ich kann es nur aus meiner eigenen Erfahrung sagen, dass ich immer wieder von meiner HTL-Ausbildung profitiere. Wenn ich mich da ein bisschen auskenne mit den Tools oder sogar mit dem Programmieren, denke ich, kann man hier abseits der `Standardbildung` Deutsch, Englisch, Mathe eine extreme Bereicherung erfahren“, ist Fabian Grüneis überzeugt.
In seiner Heimatgemeinde Waizenkirchen legt daher der Jungbürgermeister großen Wert auf ein möglichst breites digitales Angebot in den Schulen. Vor allem die ortsansässige Mittelschule sowie die landwirtschaftliche Fachschule sind laut Grüneis im digitalen Bereich sehr gut ausgestattet. Home-Schooling und Distance Learning sind für den amtierenden Bürgermeister aber trotzdem kein hundertprozentiger Ersatz für den Präsenzunterricht. Dennoch sollte keine Gemeinde in Österreich die Digitalisierung der Schule vernachlässigen, um – wenn nötig - möglichst rasch auf digitalen Unterricht umstellen zu können, so der 24-Jährige.
„Damit Distance Learning problemlos funktionieren kann, braucht es eine funktionierende Infrastruktur. Wenn ich da erst das gesamte Equipment anschaffen muss, dann bin ich – wie jetzt bei einer Pandemie – ganz klar im Nachteil“, so der Bürgermeister
Die Schule der Zukunft soll "modular" sein
Als Zukunftsvision der Schule sieht Grüneis vielfältig und individuell, etwa in Form einer „modularen Oberstufe“, wie er es nennt. Schülerinnen und Schüler könnten hier etwa ihren Stundenplan weitgehend selbst zusammenstellen und sich so mehr auf ihre eigentlichen Interessen fokussieren, meint Grüneis. Die weniger interessanten Fächer würden somit auf ein notwendiges Minimum reduziert werden, argumentiert der Jungbürgermeister.
„Meiner Meinung nach muss Schule mehr in Richtung Eigenverantwortung und Eigeninteresse gehen. Lerne ich in der Schule etwas, das mich wirklich interessiert, ist die Eigenmotivation, denke ich, viel größer“, so Fabian Grüneis.
Ing. Fabian Grüneis ist Bürgermeister der Marktgemeinde Waizenkirchen in Oberösterreich. 2018 wurde er mit 22 Jahren zum jüngsten Bürgermeister des Bundeslandes gewählt. In seiner Freizeit hat sich der mittlerweile 24-Jährige ganz der Musik verschrieben und sorgt als „DJ Greenice“ für jede Menge heiße Beats. Noch im Jänner will der Bürgermeister sogar seine zweite Single veröffentlichen.