Expertenwissen
Mir ist sooo fad!
Wie entsteht Langeweile?
Der Alltag der Kinder ist üblicherweise stark strukturiert. Kindergarten und Schule geben einen fixen Rahmen und viele Aktivitäten sind bereits vorgegeben. Auch Medien sind voll von Animationsangeboten. Da bleibt nicht viel Zeit zum selber Gestalten. Mit den Ferien stehen Kinder plötzlich vor ganz anderen Voraussetzungen. Der Tagesablauf muss neu geplant werden und nicht jede freie Minute ist verplant. Fix vorgegebene Angebote fallen weg und Eltern hören häufig von ihren Kindern "mir ist soooo fad". Es ist nicht einfach, die nun zur Verfügung stehende Zeit zu gestalten, wenn die sonst so gewohnte durchgehende Unterhaltung wegfällt.
Ohne Langeweile keine Kreativität
Jesper Juul beschreibt es in einem Standard-Interview als innere Unruhe, die Kinder empfinden, wenn sie sich langweilen. Sie versuchen, eine Balance zu finden zwischen dem Konsumieren von externen Reizen und der inneren Kreativität. Überwinden Kinder diese Unruhe, entdecken sie ihre Kreativität. Jesper Juul nennt es den Raum, sich selbst zu spüren, sich kennenzulernen, die Erfahrung von Selbstverwirklichung machen. Für Kinder ist diese Kreativität wichtig, um Selbstwert zu entwickeln. Es macht unabhängig von äußerer Anerkennung und Zustimmung. Haben sie die innere Unruhe überwunden, kann dies eine Art inneren Frieden erzeugen.
Sinn der Beschäftigung entdecken
Der Gegenspieler von Langeweile ist das Interesse an Aktivitäten. Um die Langeweile zu überwinden, müssen Kinder also kreativ werden und die Leidenschaft und den Sinn an Beschäftigungen neu entdecken. Einzelne Aktivitäten und Spielsachen bekommen wieder eine wertvolle Bedeutung für das Kind. Diese Wertschätzung kann nicht verordnet werden, die muss selbst entdeckt werden. (5 Tipps: Warum die Erfahrung von Langeweile für Kinder wichtig ist)
Eltern müssen daher nicht immer Ideen liefern und Vorschläge parat haben, wenn sich das Kind langweilt. Sie können ihr Kind auch ermutigen, das Gefühl der Langeweile auszuhalten und so dem Kind die Gelegenheit bieten, auf sich selbst zu hören und eigene Anreize zuzulassen.
Exkurs: Studie von Benjamin Baird und Jonathan Schooler
Die Psychologen Benjamin Baird und Jonathan Schooler von der University of California führten eine Studie durch und gaben Studentinnen und Studenten zwei Minuten Zeit, um ungewöhnliche Verwendungsmöglichkeiten von Alltagsgegenständen (z.B. Zahnstocher) aufzuschreiben. Danach wurden die Studierenden in vier Gruppen geteilt, wobei eine Gruppe die Auflistung fortsetzte, eine weitere Gruppe ruhte sich aus, die dritte hatte eine schwierige Aufgabe zu lösen, die volle Konzentration forderte und die vierte Gruppe bekam eine eintönige Aufgabe, die sie unterforderte. Nach 12 Minuten mussten alle die eingangs gestellte Aufgabe mit dem Finden von ungewöhnlichen Verwendungsmöglichkeiten wiederholen.
Das Ergebnis: Die vierte Gruppe, die sich bei der einfachen Aufgabe langweilte, verbesserte sich um 41%. Bei den anderen 3 Gruppen waren kaum Unterschiede feststellbar. Die Psychologen schließen daraus, dass die Studierenden, die mit der eintönigen Aufgabe gelangweilt wurden, nebenbei die erste, interessantere Aufgabe unbewusst und ohne Ergebnisdruck weiterbearbeiteten.
(Süddeutsche Zeitung: Laaaaangweilig)
In diesem Sinne: Viel Spaß beim Langweilen - es wird bestimmt nicht fad!