Lehrermangel ist hausgemacht
Der Neid in der Gesellschaft war dem Berufsstand der Pädagoginnen und Pädagogen gegenüber stets groß. „Lehrer müsste man sein“, hieß es gerne dann, wenn Vertreter anderer Sparten über zu wenig Freizeit klagten. Drei Monate Ferien und jeden Nachmittag frei sind und waren Narrative, die für das Lehrpersonal gern bedient wurden.
Doch die Realität sieht anders aus. Der Beruf des Pflichtschullehrers hat ganz offensichtlich seinen Glanz verloren. Wurde vor 20 Jahren aufgrund des Ansturms dringend abgeraten, die Lehrerausbildung zu starten, werden Lehrkräfte heute händeringend gesucht. Sogar Pensionisten müssen in den Dienst zurückkehren, damit alle Stunden gehalten werden konnten.
Die Gründe für den Lehrermangel sind vielschichtig: Allen voran steht die Ausbildung für Volks- und Mittelschullehrer, die eigentlich erst 2017 reformiert wurde und bis dahin dreijährig war. Genau da liegt das Problem. Aktuell dauert das Bachelor-Studium vier Jahre – und das ist erst die halbe Miete.
Das zweijährige Master-Studium für Mittelschullehrer (Volksschule einjährig) ist verpflichtend – berufsbegleitend oder Vollzeit. Das heißt, dass Absolventen frühestens nach vier, im Worst Case erst nach sechs Jahren, voll ins Lehrer-Berufsleben einsteigen. Zu lang, um die Pensionierungswellen – bis 2025 gehen 500 Lehrkräfte pro Jahr in den Ruhestand – wettzumachen. Darüber hinaus trüben immer mehr Bürokratie und verstärkte psychische Belastungen das Lehrer-Dasein.
Eine traurige Entwicklung. Immerhin geht es um die Grundausbildung unserer Kinder. Jetzt ist es an der Zeit zu handeln: So muss die Bundesregierung die Ausbildungsdauer wieder reduzieren und den Lehrerjob entbürokratisieren. Aber auch die Gesellschaft kann mit mehr Wertschätzung einen Beitrag zu einem gesteigerten Lehrerbild leisten. Denn spätestens seit dem Distance-Learning in Lockdown-Zeiten sollten alle Eltern wissen, wie hart der Job für Lehrerinnen und Lehrer sein kann.
Dieser Artikel "Lehrermangel ist hausgemacht" erschien am 1. Juni 2022 in den Niederösterreichischen Nachrichten (NÖN).