Nachlese Podiumsdiskussion: Österreichs Kindergärten und Schulen geht das Personal aus!
Um dem Lehrkräftemangel entgegenzuwirken, müssen junge Personen für den Lehrberuf begeistert werden. Aber wer bildet unsere Zukunft? Und was braucht es, damit Pädagoginnen und Pädagogen ihre verantwortungsvollen Aufgaben in Schulen und den elementaren Bildungseinrichtungen bestmöglich erfüllen können? Diese Frage wurde bei der "Bildungsarena"- einer Podiumsdiskussion der von der Industriellenvereinigung (IV) gegründeten Initiative "Neustart Schule" - am 17. November 2022 gestellt und aus den Blickwinkeln von Praxis, Wissenschaft und Politik diskutiert.
Polaschek will kürzere Ausbildung für Sekundarstufe
Bildungsminister Polaschek sprach sich am Podium für eine Verringerung der Studiendauer auf fünf Jahre für die Sekundarstufe aus. Seit 2015 müssen Studierende zunächst ein vierjähriges Bachelorstudium abschließen, nach dem bereits an der Schule unterrichtet werden darf. Danach folgt für Volksschulen ein einjähriger, für die Sekundarstufe ein zweijähriger Master. Für die Volksschule hat Polaschek bereits eine Umstellung auf drei Jahre Bachelor- und zwei Jahre Masterstudium angekündigt. Dieselbe Struktur schwebt ihm nun auch für die Sekundarstufe vor - künftig sollen also fünf statt bisher sechs Jahre reichen. Früher habe an den meisten Unis ein neunsemestriges, an der Uni Graz ein zehnsemestriges Lehramtsstudium für die Ausbildung zum AHS- bzw. BMHS-Lehrer gereicht. "Ich denke, wir müssen auch wieder für die Sekundarstufe zu einem zehnsemestrigen Lehramtsstudium zurück." , so Polaschek. Er sei von Anfang an damit unglücklich gewesen, dass in der Lehrerausbildung der Bachelor - anders als in allen anderen Bereichen - vier statt nur drei Jahre dauere, sagte Polaschek, der als damaliger Vizerektor der Uni Graz und Leiter des "Forum Lehre" in der Universitätenkonferenz (uniko) stark in die Reform eingebunden war. Immerhin könne eine solche längere Grundausbildung dazu führen, dass sich junge Menschen doch für eine andere Ausbildung entscheiden.
Schnider plädiert für dualen Master
Andreas Schnider, Vorsitzender des Qualitätssicherungsrats für PädagogInnenbildung, machte sich bei der Diskussion in diesem Zusammenhang für einen "dualen Master" stark. Während das Bachelorstudium eine möglichst breite Ausbildung bieten solle, um gut in die Berufspraxis einzusteigen, sollte der Master dann fein auf die tatsächlichen Bedürfnisse des jeweiligen Junglehrers abgestimmt sein. "Das könnte man auch rasch umsetzen", so Schnider.
Die Leiterin des COOL-Impulszentrums und HAK-Lehrerin Martina Piok war anderer Meinung und merkte an, dass dies zur Überforderung führe, weil der Berufseinstieg kein leichter ist. Sie befürchte, dass Junglehrer dann entweder zu viel Energie in den Master stecken und den Lehrberuf vernachlässigen oder umgekehrt. Sie plädiere für ein Training on the job, das von den pädagogischen Hochschulen begleitet wird - ohne paralleles Masterstudium. AHS-Lehrerin Eva Knechtelsdorfer erwähnte hingegen, dass sie nach nur drei Jahren Studium nicht unterrichten hätte können.
Polaschek verteidigte die berufsbegleitenden Angebote und verwies darauf, dass es längere Fristen für den Masterabschluss gäbe. Bei der Neukonzeption der Lehrerausbildung habe es hinsichtlich berufsbegleitender Angebote für den Master noch wenig Bedarf gegeben. Der aktuelle Lehrermangel führe aber dazu, dass man auch die Inhalte des Masters völlig neu denken und mehr Praxisinhalte in die Studien bringen müsse. Die Lehrangebote müssen aus Polascheks Sicht außerdem so gestaltet sein, dass sie für Bachelor-Absolventen auch dann mit der Arbeit in der Schule vereinbar sind, wenn sie nicht am Ort der Uni bzw. der Pädagogischen Hochschule (PH) leben.
Die Pädagogischen Hochschulen (PH), die gemeinsam mit den Unis für die Ausbildung der Sekundarlehrer verantwortlich sind, reagierten erfreut auf Polascheks Ankündigung. Nun brauche es eine Gesetzesnovelle mit den neuen Vorgaben. Die PHs seien auch bereit, aktiv mitzuarbeiten, damit ein möglichst qualitätsvolles System herauskommt, so der Sprecher der PH-Rektorenkonferenz, Walter Vogel, gegenüber der APA. Es werde nicht ganz leicht sein, ein Sechstel des Studiums einzusparen. "Aber wenn man das gut angeht, wird das ohne Qualitätsverluste möglich sein."
Universitätsausbildung für ElementarpädagogInnen
Wie man die Elementarpädagogik aufwerten könne, war ein weiterer Diskussionspunkt. Derzeit findet die Ausbildung für ElementarpädagogInnen in berufsbildenden höheren Schulen (Bafep) oder Kollegs statt. Für Natascha Taslimi vom Netzwerk elementare Bildung Österreich wäre eine Universitätsausbildung eine gute Möglichkeit, das Ansehen zu steigern. Polaschek stand diesem Wunsch grundsätzlich positiv gegenüber. Ein generelles Umstellen auf eine tertiäre Ausbildung sei allerdings nicht so leicht möglich, schon allein weil die kritische Masse beim Personal für derartige Angebote in ausreichendem Ausmaß fehle. Es werde jedoch schon intensiv daran gearbeitet, dass sich mehr Menschen in diesem Bereich habilitieren, um entsprechend Bachelor-Studien anbieten zu können. Reformbedarf sieht Polaschek auch im Bereich der Zuständigkeit für die Kindergärten, die derzeit - abgesehen von der beim Bildungsministerium angesiedelten PädagogInnenausbildung - in die Kompetenz der Länder fallen. "Ich denke langfristig sollte das Ziel sein, hier zu einer Bundeskompetenz zu kommen."
Quereinsteiger ja - aber nur mit Fachdidaktik!
Einigkeit herrschte darüber, dass Quereinsteiger den Lehrermangel zumindest abfedern könnten und keine Deprofessionalisierung des Berufs bedeuten sondern als Bereicherung des Schulalltags gesehen werden. Überaus wichtig ist aber, die Fachdidaktik zu berücksichtigen. Für AHS-Lehrerin Eva Knechtelsdorfer sei das die Grundkompetenz einer jeden Lehrkraft. Viele können Englisch, aber es jemanden beizubringen sei eine andere Sache. Polaschek sieht den Quereinstieg als punktuelle Ergänzung, seiner Einschätzung nach sei von höchstens 200-300 Personen Quereinsteigern pro Jahr auszugehen. Der größte Anteil an unterrichtenden Personen müsse "richtig" ausgebildet sein.
Das fehlende Budget
Dass vieles vom Budget im Bildungsbereich abhängt, war im Rahmen der Podiumsdiskussion eher ein Randthema. Bildungspsychologin Christiane Spiel versuchte, aus der Metaperspektive heraus die Wichtigkeit von Investitionen in die Bildung zu betonen: "Wir sind uns ohnehin alle einig, dass es mehr Unterstützung in der Bildung brauche, aber wenn es nicht mehr Geld gibt, kann vieles auch nicht verwirklicht werden.", so Spiel. Ihr Lösungsansatz sei zu versuchen, nicht nur bei den Zuständigen im Bildungsumfeld vorzusprechen sondern generell der Gesellschaft und der Politik besser zu verdeutlichen, welche Auswirkungen ein eklatanter Mangel im Bildungswesen hat. Darüber hinaus solle man Bildungspolitik außerhalb von Parteipolitik stellen. Für ihre klare Forderung erntete sie Applaus.
STANDARD-Redakteurin Lisa Nimmervoll führte gekonnt durch den Podiumsabend und schloss die Diskussionsrunde mit dem Vorlesen eines Zitats des französischen Schriftstellers und Lehrers Daniel Pennac, entnommen aus seinem preisgekrönten Buch "Schulkummer".
Hoffen wir, dass noch weitere Maßnahmen gegen den Lehrermangel folgen und bald fruchten werden!