Eltern - wichtigster Partner des Lehrers

Trotz schwieriger äußerer Rahmenbedingungen gelingt es Lehrern, mit den meisten Eltern ihrer Schüler eine gute Kooperationsbeziehung aufzubauen. Die Eltern schätzen die Arbeit des Lehrers und beide ziehen an einem Strick. Allerdings gibt es auch Ausnahmen. Mit negativen Folgen für den Unterricht. Lern- und Disziplinprobleme entwickeln dann eine ungünstige Dynamik und sind kaum noch erfolgreich zu bewältigen. Deshalb profitiert jeder Lehrer von einer proaktiven ausgerichteten Elternarbeit, die auf eine gute Kooperation mit den Eltern setzt.

Eine Lehrerin redet mit einem Schüler und dessen Mutter

Der 13-jährige Dario kam empört nach Hause. „Herr Peng gibt die unmöglichsten Hausaufgaben auf. Bis morgen müssen wir das ganze Kapitel über die Steinzeitwerkzeuge abschreiben“. Das fand auch sein Vater keine gute Idee. „Was soll diese Abschreiberei“, dachte er sich. Zu seiner Frau sagte er: „Die unterrichten immer noch wie vor 20 Jahren.“ Intuitiv erspürte Dario diese kritische Haltung seines Vaters. Mit diesem Rückhalt konnte er es sich leisten, Herrn Pengs Arbeitsaufträgen und Zurechtweisungen nur noch sehr widerwillig nachzukommen. Zu Hause streute er immer wieder negative Informationen über Herrn Peng, die seinen Vater dazu brachten, Darios Lehrer immer negativer zu sehen.
Tatsächlich verliefen die Dinge aber ganz anders. Dario musste den Text deshalb abschreiben, weil er einem Mitschüler einen Schlag in den Rücken versetzt hatte. Davon erzählte er zu Hause natürlich nichts. Die Arbeit des Lehrers ist leichter, wenn die Eltern seiner Schüler hinter ihm stehen. Das sollte er aber nicht voraussetzen. Denn ein Schüler kann zu Hause die Ereignisse aus der Schule vor allem dann einseitig darstellen, wenn dessen Eltern alles unhinterfragt glauben, was ihr Kind über seinen Lehrer berichtet. Das verleitet ein Kind dazu, zu Hause über weitere negative Episoden seines Lehrers zu berichten. Damit bringt das Kind seine Eltern allmählich dazu, für es Partei zu ergreifen. Es spürt ihren Rückhalt, was die Position des Lehrers vor allem dann schwächt, wenn er Anforderungen in Bezug auf Lernen und Sozialverhalten stellt, die dem Kind lästig sind und denen es deshalb lieber ausweicht.

Was haben Sie als Lehrer von einer guten Kooperation mit den Eltern?

Eltern verfügen, wegen ihrer besonderen Beziehung zu ihrem Kind, über einen erheblichen Einfluss darauf, wie es sich in der Schule verhält. Ob es sich im Unterricht an die Regeln hält, ob es einen angemessenen Umgang mit seinen Mitschülern pflegt usw. – all diese Dinge werden zu einem fundamentalen Teil mit durch das Elternhaus beeinflusst. Eltern haben aber nicht nur einen großen Einfluss darauf, wie sich ihr Kind in der Schule verhält, sondern auch auf dessen Lern- und Arbeitshaltung. Nach einer Studie von Markus Neuenschwander liegt der Einfluss der Lehrer auf den Schulerfolg bei etwa 10 – 15% - der der Eltern aber bei 30 – 50%. Neuenschwander folgert daraus: „Wenn Eltern eine positive Einstellung zur Schule haben, dann geben sie diese an ihr Kind weiter“. Und umgedreht. Dann wird aber die Arbeit für die Lehrerin schnell zur Schwerstarbeit, vor allem wenn das Kind nicht nur schlecht lernt, sondern versucht, sein leistungsmäßiges Ungenügen mit Verhaltensproblemen zu kompensieren. Und das kommt in fast allen Klassen vor.

Als Lehrer optimieren Sie Ihren Einfluss auf den Schüler, wenn Ihre Beziehung zu seinen Eltern stimmt. Wenn Sie die Eltern Ihrer Schüler hinter sich haben, stehen Ihnen zahlreiche Optionen offen. Sie können jetzt entscheiden, mit den Eltern auch heikle Themen zu besprechen wie:

  • Wenn ein Kind nicht lernt, was kann dann jeder der Beteiligten tun, damit es eine gute Lern- und Arbeitshaltung entwickelt?
  • Wenn ein Kind durch Disziplinprobleme auffällt, was kann dann jeder der Beteiligten tun, damit es
    ​​​​​​​seine Sozialkompetenz verbessert?
  • Und natürlich kann sich die Lehrerin dann auch viel einfacher mit den Eltern darüber austauschen,
    ​​​​​​​wenn ein Kind schüchtern oder ängstlich ist, wenn es in der Schule davon berichtet, das ganze Wo chenende vor dem Computer verbracht zu haben, wenn es sich schwer tut, in der Klasse Freunde zu finden usw.

Natürlich profitiert auch das Kind davon, wenn Lehrer und Eltern an einem Strang ziehen.

Mit welchen Eltern ist eine gute Kooperation besonders wichtig?

Die Zusammenarbeit ist vor allem mit jenen Eltern besonders wichtig, mit denen am ehesten Missverständnisse und Konflikte drohen, vor allem bei Eltern,

  • die der Schule skeptisch gegenüber stehen,
  • deren Kind schlechte Noten schreibt,
  • deren Kind in der Schule undiszipliniertes Verhalten zeigt,
  • die bildungsfern sind,
  • die sich in der Vergangenheit unkooperativ und kritisch gegenüber der Schule verhalten haben.

Allerdings braucht es gerade bei diesen Eltern kluges Vorgehen sowie einen längeren Atem, um einen guten Kontakt aufbauen zu können. Das lohnt sich aber, denn diese Schüler bilden meist die Hauptproblemgruppen in der Klasse und stellen für den Lehrer die größte Belastung dar.​​​

Aber wie kommen Sie zu einer guten Kooperation mit den Eltern?

Die folgenden Vorschläge dienen als Anregungen. Sie müssen natürlich in der Praxis an die jeweiligen Gegebenheiten adaptiert werden.

So geht Frau Schneider vor:
Sie stellt sich den Eltern sofort zu Beginn des Schuljahres schriftlich vor: Sie schreibt:„Ich möchte mich in den nächsten Tagen gerne mit Ihnen treffen, um Sie darüber zu informieren, was meine Schüler während der ersten Wochen lernen werden. Sie kennen (Name des Kindes) am besten und haben die meiste Erfahrung im Umgang mit ihm. Vielleicht gibt es etwas, dass Sie mir mitteilen möchten, damit ich … in der Klasse von Beginn an gut unterstützen kann.

Ihnen ist sicher wichtig, dass … in der Schule gut lernt und Fortschritte machen kann. Das ist auch mein Ziel. Sie wissen auch, dass alle Schüler in der Schule besser lernen, wenn während des Unterrichts niemand stört und alle gut aufpassen. Darüber möchte ich mich gerne mit Ihnen austauschen. Ich werde Sie in den nächsten Tagen anrufen, damit wir uns treffen können. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Ihnen. Vielen Dank für Ihr Entgegenkommen.

Das erste Elterngespräch:

Vor allem bei den Eltern, mit denen die Zusammenarbeit schwierig werden könnte, vereinbart sie möglichst innerhalb der ersten zwei Wochen ein erstes Treffen. Es dauert etwa 20 bis 30 Minuten. So geht sie vor:

  • Sie bedankt sich für das Treffen und stellt sich kurz vor.
  • Sie informiert die Eltern kurz über das während der ersten Wochen geplante Curriculum.
  • Sie fragt die Eltern, ob sie ihr etwas über ihr Kind berichten möchten, was für die Schule von Bedeutung ist und was ihr dabei hilft, ihr Kind im Unterricht besser zu unterstützen;
  • Sie spricht das Thema Regeln an, und zwar zuerst im Hinblick darauf, an welche Regeln sie sich selbst hält.
  • Dann stellt sie den Eltern die Klassenregeln mündlich und schriftlich vor.
  • Sie bespricht mit den Eltern mögliche Informationswege wie Telefon, Mail usw.
  • Sie überreicht den Eltern folgende schriftliche Informationen: Ihren Namen, ihre Telefonnummer und Mailanschrift; eine Aufstellung der Regeln, an die sie sich selbst hält und die Klassenregeln.
  • Am Schluss des Gesprächs bittet sie die Eltern darum, sich an sie wenden zu dürfen, falls dies, aus welchen Gründen auch immer, wichtig wäre: „Ich möchte Sie gerne anrufen, wenn ich Ihre Unterstützung brauche. Sind Sie damit einverstanden?“

Dieses erste Treffen mit den Eltern gleich zu Beginn des Schuljahres dient nicht nur einer ersten Kontaktanbahnung mit den Eltern. Der Lehrer kann seinen Unterricht besser an den Bedürfnissen seiner Schüler ankoppeln, wenn er möglichst frühzeitig weiß, ob ein Schüler ADHS hat, wie gut seine Deutschkenntnisse sind, ob er mit seinen Hausaufgaben Schwierigkeiten hat, ob die Eltern bildungsfern sind und nur über geringe Deutschkenntnisse verfügen oder ob sie besonders ehrgeizige Bildungsziele für Ihr Kind haben usw.

Mit Eltern über Regeln sprechen:

Die Klassenregeln sind zwar ein zentraler Baustein guten Unterrichts aber der Lehrer kann sie gerade bei einem auffälligen Kind kaum umsetzen, wenn dessen Eltern nicht dahinter stehen. Darum ist gerade bei jenen Eltern das Gespräch über Regeln von besonderer Bedeutung,

  • die Regeln grundsätzlich kritisch gegenüberstehen, weil sie meinen sie könnten die Kreativitätsentwicklung ihres Kindes einschränken
  • denen es zu Hause selbst schwer fällt, Regeln zu etablieren und umzusetzen
  • deren Kind sich in der Schule auffällig verhält

​​​​​​​Wenn es dem Lehrer gelingt, die Eltern in Bezug auf die Klassenregeln hinter sich zu bringen, dann steigert er seinen Einfluss auf seine Schüler. In der Klasse herrscht mehr Ordnung, die Schüler lernen mehr und unterrichten macht mehr Freude.

Bevor Frau Schneider mit den Eltern über die Klassenregeln spricht, teilt sie ihnen zunächst mit, welche Regeln für sie selbst bindend sind. Damit vermittelt sie:

  • dass sich nicht nur ihre Schüler an Regeln halten müssen, sondern dass sie selbst bereit ist, das zu tun, was sie von anderen einfordern wird;
  • dass sie bereit ist, sich an klaren Standards messen zu lassen;
  • Souveränität und Sicherheit.

Sie demonstriert damit indirekt, dass es ohne Regeln nicht geht. Denn warum hätte sie sich sonst selbst Regeln auferlegen sollen? Regeln, an die sich der Lehrer hält, könnten z.B. sein:

  • Ich behandle euch mit Respekt.
  • Ich sorge für ein gutes Lernklima.
  • Ich bin bereit, die Aufgaben so lange zu erklären, bis sie jeder verstanden hat.

Warum braucht es Regeln?

An den Zielen und Werten der Eltern ankoppeln: Der Lehrer kann den Sinn von Regeln am besten erklären, wenn er an den Zielen und Werten ankoppelt, die die Eltern für ihr Kind in der Schule haben. Die Hauptziele fast aller Eltern für ihr Kind sind:

  • dass es in der Schule erfolgreich ist;
  • dass es eine gute Beziehung zum Lehrer hat;
  • dass es mit seinen Klassenkameraden gut auskommt.

Frau Schneider sagt im Elterngespräch: "Ihnen ist doch sicher wichtig, dass … in der Schule gut lernt und Fortschritte machen kann. Sie wissen auch, dass ... mehr Fortschritte in der Klasse macht, wenn ... während des Unterrichts nicht gestört wird und gut aufpassen kann. Wenn aber 20 Kinder in einer Klasse zusammen sind und es keine klaren Regeln gibt, an die sich alle halten, dann geht es schnell mal drunter und drüber. Klar, dass dann auch niemand richtig lernen kann. Ich lege deshalb großen Wert auf Regeln, weil es dann in der Klasse leiser ist, weil weniger gestört wird und alle besser lernen können. Haben Sie Anregungen dazu?“

Mit diesem Vorgehen punktet sie nicht nur bei bildungsfernen Eltern oder bei denen, deren Kinder „schwierig“ sind. Sondern damit beeindruckt sie auch die Eltern, die höchste Ansprüche an die Schulkarriere ihrer Kinder stellen.

Positive Rückmeldung an die Eltern bevor die ersten Probleme auftreten:

Eltern wollen stolz auf ihr Kind sein. Sie sind deshalb besonders empfänglich für positive Nachrichten über ihr Kind. Das gilt ganz besonders auch für Eltern „schwieriger“ Kindern oder bei „schwierigen“ Eltern. Gerade diese Gruppe von Eltern hat aber oft eine Vergangenheit hinter sich, in der sie von Seiten der Schule bereits viel Kritik über ihr Kind vernehmen mussten. Und sie befürchten, meist ja gar nicht zu Unrecht, dass es in Zukunft weitere Kritik von Seiten der Schule geben wird. Eine oft starke Identifikation mit ihrem Kind sorgt allerdings dafür, dass diese Eltern Kritik an ihrem Kind so erleben, als würden sie selbst kritisiert. Auch das macht Elternarbeit so anspruchsvoll.

Gerade bei „schwierigen“ Schülern bleibt dem Lehrer aber schnell kaum etwas anders übrig, als auf die Eltern zuzugehen und wieder Kritik am Verhalten des Kindes zu äußern. Damit erfüllen sich die schlimmsten Befürchtungen der Eltern. Kein Wunder, wenn sich diese Eltern unkooperativ verhalten.

Was tun?

Zum Glück sind selbst schwierige Schüler nicht durchgängig schwierig und meist auch nicht sofort während der ersten Schultage. Diese Möglichkeiten kann der Lehrer nutzen, um den Eltern positive Nachrichten über ihr Kind zukommen zu lassen. Damit weicht er deren ablehnende Haltung gegenüber der Schule auf und errichtet das Fundament für die später nötige Zusammenarbeit. Nämlich dann, wenn er mit den Eltern auch über das sprechen muss, was nicht gut läuft.

Deshalb achtet Frau Schneider sofort ab dem ersten Schultag, gerade bei ihren schwierigen Schülern, auf Schritte in die richtige Richtung und meldet sie den Eltern sofort zurück. In dem sie ihnen beispielweise ein Mail schreibt wie, „Jonas hat heute beim Turnen einem Mitschüler gut geholfen. Das hat mich sehr gefreut“. Oder sie sendet, nach Rücksprache mit Jonas, ein Bild an dessen Eltern „Jonas beim Lernen in Mathematik“.

Damit erreicht sie zwei wichtige Ziele:

  • Sie etabliert eine Beziehung zu Jonas Eltern
  • Sie vertieft ihre Beziehung zu Jonas.

Von beidem wird sie besonders dann profitieren, wenn Jonas damit beginnt, sich unangemessen zu verhalten.


Christoph Eichhorn ist Schulpsychologe in der Schweiz und Autor zum Thema Classroom-Management. Er arbeitet als Lehrbeauftragter an Universitäten und Pädagogischen Hochschulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz und gibt Workshops, Online-Workshops und hält Vorträge zu Classroom-Management.

Eichhorn, C. (2009): Classroom-Management. Wie Lehrer, Eltern und Schüler guten Unterricht gestalten. Klett-Cotta, 3. Aufl.
Eichhorn, C. (2011): Bei schlechten Noten helfen gute Eltern. Klett-Cotta.