Warum ist Classroom-Management so wichtig?

Classroom-Management schafft ein geordnetes Klassenzimmer und damit die Voraussetzungen dafür, dass Lehrerinnen und Lehrer gesund bleiben und die Freude am Lehrberuf nicht verlieren. Ein gutes Classroom-Management hilft, die Voraussetzungen für erfolgreiches und effektives Lernen zu schaffen und eine gute Beziehung zu den Schülerinnen und Schülern herzustellen. In den folgenden Ausführungen wird noch näher beschrieben, warum Classroom-Management so wichtig ist:

2 Schüler streiten sich und die Lehrerin geht dazwischen

1. Classroom-Management gilt als eines der Hauptqualitätsmerkmale für guten Unterricht
Die internationale Forschung zeigt, dass kein anderes Merkmal so eindeutig und konsistent mit dem Leistungsniveau und dem Leistungsfortschritt von Schulklassen verknüpft ist wie die Klassenführung. (Helmke 2003).

2. Mangelnde Disziplin ist der stärkste Belastungsfaktor für Lehrer
Die Studien zur Lehrerbelastung sind sich darin einig, dass der stärkste Belastungsfaktor für Lehrer in Disziplinschwierigkeiten zu suchen ist. Das ist auch für jeden nachvollziehbar. Nervende Schüler zerren an den Nerven ihrer Lehrer. Der Lehrer verliert die Freude am Beruf. Classroom-Management schafft ein geordnetes Klassenzimmer und die Voraussetzungen dafür, dass Lehrer gesund bleiben und die Freude am Beruf bewahren.

3. Erst ein geordnetes Klassenzimmer ermöglicht gute Beziehungen
Schüler sehnen sich nach guten Beziehungen zum Lehrer, jüngere ganz besonders. Diese stellen sich aber nicht ein, wenn es im Klassenzimmer drunter und drüber geht und der Lehrer immer wieder ermahnen und zurechtweisen muss. Denn viel kritisieren und zurechtweisen unterhöhlt die Lehrer-Schüler-Beziehung. Einer der großen Vorteile von Classroom-Management ist, dass es ein geordnetes Klassenzimmer schafft, ohne dass negative Kommunikation zwischen Lehrperson und Schülern die Oberhand gewinnt. Es schafft im Gegenteil ein Klima, in dem positive Beziehungen zwischen Lehrer und Schülern wachsen und gedeihen.

4. Disziplinprobleme verstärken die Gefahr von Gewalthandlungen an der Schule
Der gefährliche Cocktail, aus dem Gewalthandlungen hervorgehen, hat auch mit der Schule zu tun. Ein aggressives Klima, schlechte Beziehungen, Misstrauen zwischen Eltern und Lehrern, Schikanieren unter Schülern – all dies kann dazu beitragen, dass Konflikte eskalieren. Classroom-Management wirkt hier präventiv.

5. Disziplinprobleme schädigen das Image der Schule
Disziplinprobleme bleiben nicht im Klassenzimmer. Schüler verfügen zu Hause über ein Informationsmonopol. Denn ihre Eltern erfahren über das Geschehen in der Schule aus dem Mund ihrer Kinder. Und die glauben ihren Kindern fast alles. Wenn diese über Unruhe im Klassenzimmer berichten, treiben sie damit die besorgten Eltern in Opposition zum Lehrer. Das erschwert zusätzlich seine Arbeit und schädigt das Ansehen der Schule in der Öffentlichkeit.

Die CM Philosophie

Saskia stand schon länger im Fokus ihrer Lehrer der 7. Klasse. Sie störte immer wieder den Unterricht, widersprach ihnen offen und ihre angespannt-aggressive Art führte immer wieder zu Spannungen und Konflikten im Klassenzimmer.
In der Klassenkonferenz berieten ihre Lehrpersonen über das weitere Vorgehen. Schnell war man sich darüber im Klaren, dass es jetzt klare Sanktionen bräuchte. Und die reichten von Ermahnen, Entzug von Privilegien (wie die Nutzung des Internet), Gesprächen mit ihr, Strafarbeiten, mündliche und schriftliche Information an die Eltern, Gespräche mit ihr und ihren Eltern.

Natürlich sind diese Vorschläge sinnvoll. Und natürlich braucht jede Schule und jede Lehrperson ein System abgestufter Konsequenzen, wenn Schüler sich an vereinbarte Regeln nicht halten. Dennoch: Alle Vorschläge dieser Lehrerkonferenz zielen einzig und allein darauf ab, zu reagieren, nachdem Saskia gestört hat.

Im Fokus von Classroom-Management steht aber genau das Gegenteil. Nämlich zu überlegen, was man tun kann, bevor es zu störendem Verhalten kommt.

Sicher wollen Saskias Lehrer, dass sich die Situation bessert. Sicher wünschen sie, dass Saskia lernt, sich angemessen zu verhalten. Aber mit dem Fokus auf die negativen Konsequenzen beschneiden sie sich, natürlich ungewollt, zahlreicher anderer Möglichkeiten. Beispielsweise all derer, die sie im Vorfeld, bevor Saskia stört, einsetzen könnten. Und genau das ist ein zentraler Teil von Classroom-Management. 
Noch ein weiterer Aspekt ist bei unserem Fallbeispiel auffällig. Saskias Lehrpersonen entwickeln zwar eine Vielzahl an Konsequenzen – aber nur negative. Und keine einzige Positive. Bei Classroom- Management stehen aber die positiven Konsequenzen gegenüber negativen klar im Vordergrund. Es legt den Schwerpunkt darauf, angemessenes Verhalten durch Lob und Anerkennung zu fördern. Und weniger darauf, unangemessenes Verhalten mit negativen Konsequenzen zu bestrafen. (Eichhorn, 2013)

Die Philosophie von Classroom-Management lässt sich wie folgt zusammenfassen:

  • Präventiv handeln
  • Angemessenes Verhalten fördern

Positives Verhalten der Schüler hervorheben

Kehren wir zu Saskia zurück:
Wir haben besprochen, dass die LP mit Sanktionen auf Saskias Verhalten reagieren.

Welche Gefahren ergeben sich daraus?
Störendes und unangemessenes Verhalten, Streit, Konflikte unter Schülern springt jeder Lehrperson ins Auge. Die Gefahr dabei ist, in eine negative mentale Spirale zu geraten, die die Aufmerksamkeit der Lehrperson genau auf diese Vorkommnisse lenkt. Das kann folgende Konsequenzen haben:

  • Der Lehrperson springen diese negativen Ereignisse noch mehr ins Auge
  • In der Folge kritisiert die Lehrperson noch mehr.
  • Sie übersieht positives Verhalten der Schüler wie Rücksichtnahme, Hilfsbereitschaft oder auch gutes Lernen usw.

Die Folgen davon beschreiben Bennet and Sminalich, (1995):

In Klassen, in denen die Lehrperson auf Störungen reagiert, verwendet sie 7 – 18,5% der Unterrichtszeit auf Disziplinierung.

  • In Klassen, in denen die Lehrperson Schülerstörungen vorbeugt, verwendet sie hingegen nur
    1 – 3,5% der Unterrichtszeit auf Disziplinierung.
  • Bei einer 12-jährigen Schulzeit hätten die Schüler im ersten Fall rund 2 Jahre mehr Unterrichtszeit als im zweiten.

Und wie könnte die Lehrerin von Saskia reagieren? Indem sie zum Beispiel zu ihr sagt:

  • „Schön, Saskia, wie du in der Partnerarbeit Mario zugehört hast, als der etwas erklärte. Freut mich.“
  • Stellen Sie sich folgende Situation vor: Beim Betreten des Klassenzimmers sagt Vedat zu Saskia:
    „Was hast du denn heute für eine Bluse an. Hast du die auf dem Müll gefunden?“ Aber Saskia bleibt cool und lässt sich nicht aus der Fassung bringen. Wäre das nicht ein wunderbare Möglichkeit, Kontakt zu Saskia aufzunehmen und zum Beispiel zu sagen: „Toll wie es dir heute gelungen ist, Saskia, ruhig zu bleiben, als sich Vedat kritisch über deine neue Bluse geäußert hat. Das war echt souverän. Ich bin stolz auf dich.“ Und nach eine kurzen Pause, „Wie hast du das so gut geschafft?“ Und „Das schaffst du doch das nächste Mal auch.“ Und am Schluss dieses kurzen Gesprächs: „Bist du einverstanden, wenn ich nachher kurz deine Eltern anrufe, um ihnen davon zu berichten?“ Und vielleicht ist es dann das erste Mal, dass ein Lehrer bei Saskias Eltern anruft, einfach nur um über Positives zu berichten. Und nicht wie in der Vergangenheit immer, was Saskia wieder falsch gemacht hat. Classoom-Management geht davon aus: Menschliches Verhalten lässt sich eher durch Wertschätzung und Belohnung beeinflussen, als durch Strafe.​​​​​​​

Und oft beginnt dann sogar die Lehrpersonen, ihre Schülerin in etwas positiverem Licht zu sehen. Und damit ändert sich auch ihre Einstellung gegenüber ihrer Schülerin.

Stellen Sie sich jetzt bitte kurz vor, alle Lehrer und Lehrerinnen, die Saskia unterrichten, würden diesem Beispiel folgen und darauf achten, was Saskia gut macht und kann.

  • Könnte nicht allein schon diese Maßnahme, Saskias „Verhaltensprobleme“ deutlich reduzieren?
  • Und würde das nicht auch automatisch die Beziehung zwischen Saskia und ihren Lehrern verbessern?
  • Und würde das nicht auch Saskias Kooperationsbereitschaft fördern?
  • Und hätte dann nicht auch Saskias Lehrerin die Chance, ihr durch hilfreiche Einzelgespräche zur Seite zu stehen?
  • Um damit vielleicht sogar Saskias drohenden Ausschluss aus der Klasse zu verhindern?

Christoph Eichhorn ist Schulpsychologe in der Schweiz und Autor zum Thema Classroom-Management. Er arbeitet als Lehrbeauftragter an Universitäten und Pädagogischen Hochschulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz und gibt Workshops, Online-Workshops und hält Vorträge zu Classroom-Management.

Eichhorn, C. (2012): Classroom-Management: Wie Lehrer, Eltern und Schüler guten Unterricht gestalten.
Klett-Cotta. 6. Aufl
Eichhorn, C. (2013): Chaos im Klassenzimmer – Classroom-Management – Damit guter Unterricht noch
besser wird. Klett-Cotta
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www.classroom-management.ch