Teil 10: Rituale Üben

Wenn eine L wirklich möchte, dass ihre SuS Rituale einhalten, dann muss sie sie einüben – vor allem in schwierigen Klassen. Wie beim Lernen von englischen Vokabeln. Die lernt auch niemand in einem Durchgang. Wie Sie dabei vorgehen, zeigt Ihnen dieses Kapitel.

Legende: SuS= Schülerinnen und Schüler, S= Schülerin oder Schüler, L= Lehrperson, KG= Kleingruppe

Lehrerin mit Schülern im Sitzkreis klatschend

Fallbsp: Ruheritual Rhyhmus-klatschen mit einer 10ten Klasse

Erster Schultag des neuen Schuljahres, erste Unterrichtsstunde. Frau Schneider erklärt ihren SuS, „wenn ich etwas ganz Wichtiges erkläre, klatsche ich, damit jede und jeder weiß, jetzt muss ich gleich richtig gut aufpassen. Dann versteht ihr auch genau, was der Auftrag ist, und fangt nicht falsch an. Denn dann müsstet ihr ja noch einmal alles von vorne machen. Also doppelte Arbeit. Wer will schon doppelte Arbeit“ fragt sie rhetorisch. „Vermutlich niemand. Wenn ich euch etwas vorklatsche, dann klatscht ihr das bitte nach. Habt ihr das gut verstanden? Dann machen wir es gleich einmal.“

Jetzt klatscht sie ganz kurz in die Hände und bittet ihre SuS an, das nachzumachen. Sie wiederholt das einige Male. „Bitte alle mitmachen“ fordert sie ihre Klasse auf. „Jetzt wird`s ein bisschen schwieriger“ sagt sie und hält Blickkontakt zu dem S, der bisher noch nicht richtig mitgeklatscht hat. Kurz zuvor hat sie sich in dessen Nähe begeben. „Carlo, mach bitte auch mit“ sagt sie jetzt freundlich. Jetzt macht Carlo mit. Sofort schenkt sie ihm ein freundliches Lächeln und kommentiert, „prima“. Und fragt ihn, „willst du mal vorklatschen?“. Carlo verneint. Sie sagt, „ok. – wer will vorklatschen?“ Einige S melden sich. Sie nimmt einen dran. Bleibt aber bei Carlo stehen, um zu sehen, ob er weiter mitmacht. „Das hat gut geklappt.“

Dann fährt sie fort, „bitte sprecht mit eurem Nachbarn über etwas, was ihr in euren Ferien erlebt habt. Ich klatsche dann und ihr wiederholt es.“ Die SuS unterhalten sich und Frau Schneider klatscht. Zunächst machen nur einige SuS mit. Frau Schneider fordert alle auf, mitzuklatschen. Beim dritten Klatschen machen schon alle mit. Sie nickt freundlich ihren SuS zu.

Der Unterricht geht weiter. Gerade sind 5 Minuten vergangen und die SuS bearbeiten einen kleinen Arbeitsauftrag. Da klatscht Frau Schneider bereits ein weiteres Mal. Zuvor hat sie sich in Carlos Nähe platziert und Blickkontakt mit ihm aufgenommen. Er macht mit. Mit einem freundlichen Kopfnicken signalisiert sie ihm, dass sie seine Kooperation bemerkt und laut sagt sie an die ganze Klasse gewandt: „Das habt ihr prima gemacht und richtig schnell begriffen – tolle Klasse“.

Während dieser ersten Unterrichtsstunde lässt Frau Schneider ihre SuS noch drei weitere Male klatschen. Es klappt. Frau Schneider lobt ihre Klasse. In den nächsten Tagen übt Frau Schneider noch einige Mal das Klatschritual.

Das Klatschritual der 10ten hat folgende Vorteile

  • es ist kurz
  • es spricht viele SuS an und erleichtert so deren Kooperationsbereitschaft
  • die L kann unkompliziert mehrfach üben.

Liste: „Ritual üben“

  • üben Sie Rituale ein
  • starten Sie damit gleich zu Beginn eines neuen Schuljahres
  • starten Sie mit einem leichten Ritual – das ist bei allen hier vorgeschlagenen der Fall
  • üben Sie das Ritual in der ersten Unterrichtsstunde nicht einmal, sondern unbedingt mehrmals – vor allem bei schwierigen Klassen
  • passen Sie das Ritual an das Alter Ihrer SuS an
  • auch bei älteren SuS sind positive Rückmeldungen wichtig. Je begeisterter Sie diese geben, desto besser kommen diese bei Ihren SuS an, z. B. „die meisten von euch sind ja schon richtig gut und haben ... (hier konkret beschreiben)  prima gemacht“ oder „ich bin beeindruckt, wie gut das … (hier konkret beschreiben)  viele schon können“ und unterstützt mit dem nach oben gestreckten Daumen.

Aber was, wenn Carlos nicht mitmacht?  Das erfahren Sie im nächsten Kapitel.


Christoph Eichhorn ist Schulpsychologe in der Schweiz und Autor zum Thema Classroom-Management. Er arbeitet als Lehrbeauftragter an Universitäten und Pädagogischen Hochschulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz und gibt Workshops, Online-Workshops und hält Vorträge zu Classroom-Management.

 

  • Eichhorn, C. (2015): Classroom-Management: Wie Lehrer, Eltern und Schüler guten Unterricht gestalten. Klett-Cotta. 8. Aufl.
  • Eichhorn, C., von Suchodoletz, A., (2014): Die Klassenregeln. Guter Unterricht mit Classroom-Management. Klett-Cotta, Stuttgart
  • Evertson, C., Weinstein, C. (2006): Handbook of Classroom Management. Research, Practice and Contemporary Issues.